Die State of the Word 2024 war für mich eine Veranstaltung, die so viel Potenzial hatte, aber am Ende zwiespältige Gefühle hinterlassen hat. Die Bühne war gross, die Themen waren da – zumindest theoretisch – und die Community hätte einen echten Moment der Verbindung und Diskussion erleben können. Doch was ich sah, fühlte sich weniger als ein Event für eine globale Open-Source-Community an, sondern eher wie eine Business-Präsentation, die Probleme unter den Teppich kehrte und wenig Raum für echte Reflexion bot.
Ein Event mit Licht und Schatten
Es gab durchaus positive Momente, die die Stärke von WordPress unterstrichen. Besonders beeindruckend war die Würdigung der japanischen Community. Aiki Hamano und viele andere Entwickler*innen haben Grosses geleistet, und die Bühne dafür zu nutzen, diese Beiträge hervorzuheben, war ein richtiger und wichtiger Schritt. Es zeigte, dass WordPress von der globalen Zusammenarbeit lebt und Menschen auf der ganzen Welt inspiriert.
Auch die Weiterentwicklung der Data Liberation Initiative und die Vorstellung des Playgrounds zeigten, dass WordPress weiter an seiner Vision arbeitet, das Web offener und interoperabler zu machen. Die Idee, Daten ohne technische Hürden von einem System ins andere übertragen zu können, ist ein Ziel, das nicht nur technisch anspruchsvoll, sondern auch philosophisch wichtig ist.
Doch während diese positiven Momente kurzzeitig überzeugten, war da auch eine grosse Leere, die ich nicht ignorieren konnte.
Die schmerzhaften Lücken
Ein Wort fehlte während der gesamten Veranstaltung: Konflikt. Die WordPress-Community steht seit Monaten vor Herausforderungen, die nicht nur technische, sondern vor allem soziale und strukturelle Fragen betreffen. Die Kontroverse rund um WP Engine, die Diskussionen über Governance und die Vorwürfe, dass kritische Stimmen innerhalb der Community unterdrückt werden, wurden schlicht ignoriert.
Das Schweigen zu diesen Themen hat mich ratlos gemacht. Wie kann eine Veranstaltung, die sich an eine Open-Source-Community richtet, so wenig auf die eigentlichen Spannungen und Bedürfnisse dieser Gemeinschaft eingehen? Stattdessen wurde eine heile Welt präsentiert, in der alles „wie immer grossartig“ ist. Doch viele, mich eingeschlossen, wissen, dass das nicht der Realität entspricht.
Die Governance-Frage ist dabei für mich besonders zentral. Wie können wir weiterhin von „Demokratisierung des Publishings“ sprechen, wenn die Entscheidungsstrukturen immer intransparent erscheinen? Warum gibt es keine offene Diskussion über die Governance der Plattform? Gerade bei einer Veranstaltung wie der State of the Word hätte ich erwartet, dass diese Themen zumindest angesprochen werden. Doch stattdessen wirkte es so, als wolle man bewusst vermeiden, das heikle Terrain zu betreten.
Community oder Business?
Während des Events fragte ich mich immer wieder: Für wen ist diese Veranstaltung eigentlich gemacht? Für die Community, die WordPress aufgebaut hat, oder für die Unternehmen, die darauf Geschäfte aufbauen? Die Frage mag provokant klingen, aber sie drängte sich mir immer wieder auf.
WordPress wurde gross, weil es auf einer starken und engagierten Community fusste. Doch während der Veranstaltung fühlte es sich oft so an, als ginge es vor allem darum, WordPress als Marke zu feiern und nicht darum, die Stimmen der Community wirklich zu hören. Die grossen Themen wurden nur gestreift, die echten Konflikte nicht angesprochen, und es fehlte an Momenten, in denen man als Zuschauer das Gefühl hatte: Ja, das ist auch mein WordPress.
Stattdessen hatte das Event oft den Charakter einer Unternehmenspräsentation: gut durchgestylt, aber wenig Substanz in den Bereichen, die wirklich zählen.
Ein zwiespaeltiges Fazit
Am Ende bleibe ich ratlos zurück. War das wirklich das richtige Format für eine Open-Source-Community, die sich durch Offenheit, Dialog und Vielfalt auszeichnen möchte? Oder war es letztlich ein Event, das mehr für die Außendarstellung und weniger für die innere Gemeinschaft gedacht war?
Ich hätte mir mehr Mut gewünscht – mehr Bereitschaft, auch schwierige Themen offen anzusprechen. Die Konflikte und Spannungen, die viele in der Community beschäftigen, werden nicht verschwinden, nur weil sie auf einer grossen Bühne ignoriert werden. Und die Energie und Leidenschaft, die WordPress einst ausgezeichnet hat, können nur dann zurückgewonnen werden, wenn die Menschen das Gefühl haben, dass ihre Stimmen gehört werden.
Die State of the Word 2024 war für mich ein Spiegelbild der aktuellen Lage: eine Plattform voller Potenzial, die sich aber oft selbst im Weg steht. Ich hoffe, dass künftige Veranstaltungen den Mut finden, wirklich offen zu sein – für alle Stimmen und alle Themen, die diese einzigartige Community bewegen. Bis dahin bleibt die Frage: Sind wir noch eine Gemeinschaft oder schon ein Business?
Schreibe einen Kommentar